Handlungsforschung.

Handlungsforschung.
Handlungsforschung.
 
Die zu Beginn der Siebzigerjahre in der Bundesrepublik Deutschland entstandene Handlungsforschung knüpft mit ihren Projekten (z. B. das Marburger Grundschulprojekt, der Modellversuch »Kollegstufe« in Nordrhein-Westfalen, das »Märkische-Viertel-Projekt« in Berlin) an das Konzept der herkömmlichen Aktionsforschung (Action-research) an, wie es in den Vierziger- und Fünfzigerjahren in den USA und in England für die Lösung sozialpsychologischer Probleme entwickelt wurde.
 
Aktionsforschung beinhaltete zunächst die mit sozialpsychologischen Standardmethoden durchgeführte Erfolgskontrolle jener Maßnahmen, die u. a. von Erziehungsinstitutionen oder Strafvollzugsbehörden zur Verhaltens- oder Einstellungsänderung vorgenommen wurden. Den Ansätzen der Aktions- und Handlungsforschung gemeinsam ist die Herstellung eines Praxisbezugs. Dies bedeutet, dass im Rahmen des Forschungsprozesses auch in soziale Prozesse praktische Eingriffe erfolgten. In der psychologischen und sozialpädagogischen Praxis (Gemeinwesenarbeit, Jugendarbeit, Arbeit im Heimbereich) gibt es neuerdings Projekte (z. B. die Entwicklung von Beratungsmodellen oder von therapeutischen Strategien), die einen starken Bezug zur Handlungsforschung aufweisen. In diesen Projekten, die von einem hohen Emanzipationsanspruch geleitet sind, wird in gemeinsamer Arbeit von Forschern und Untersuchten der Versuch unternommen, konkrete Lösungen (Sozialstrategien) für Praxisprobleme (z. B. gesellschaftliche Konflikte) zu suchen und zu erproben.
 
Während in der Aktionsforschung weitgehend staatliche und industrielle Auftraggeber die »Problemwahl« leiteten (Auftragsforschung), versteht sich die neuere Handlungsforschung in Deutschland als ein Konzept emanzipatorischer Sozialforschung. Die Forscher sind ihre eigenen Auftraggeber. Ihr Ziel ist nicht mehr die Gewinnung situationsunabhängiger Daten, sondern die Herstellung und Veränderung einer bestimmten Situation sowie die Untersuchung der Wirkungen und Bedingungen dieser Veränderung.
 
Die Kritik an der Handlungsforschung verweist u. a. auf folgende Probleme: Der emanzipatorische Anspruch der Handlungsforschung (Entwicklung eines kritischen Bewusstseins und Förderung von Handlungsfähigkeit bei den Untersuchten) ist oft überhöht und kann bei weitem nicht eingelöst werden. Es gibt weder ein wissenschafts- noch ein gesellschaftstheoretisches Konzept, aus dem der Ansatz der Handlungsforschung als Forschungsmodell abgeleitet und entwickelt werden könnte. Die Methodik lässt in Bezug auf Fortschritte zu wünschen übrig; an die Stelle der abgelehnten Kriterien empirischer Forschung wurde bisher noch wenig Neues gesetzt.

Universal-Lexikon. 2012.

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